​​​​​​​Irmgard Scheinhardt – eine sozialdemokratische Biographie

​​​​​​​Irmgard Scheinhardt 1984

Irmgard Scheinhardt spricht anlässlich des Ostermarsches 1984 in Bochum (Quelle: privat).

Irmgard Scheinhardt – ein Leben lang sozial

Irmgard Scheinhardt ist heute 91 Jahre alt und seit über 60 Jahren aktives AWO-Mitglied. Ihr ganzes Leben lang ist sie sozial und politisch engagiert, hat für ihre Leistungen sogar das Bundesverdienstkreuz bekommen. Eine beeindruckende Frau, die viel zu erzählen hat.

Am Handgelenk ein Armband mit einem großen, roten Knopf. Ein Knopf, der im Notfall Leben retten kann.

Die 91-jährige Irmgard Scheinhardt wirkt zerbrechlich. Ein großer, dunkelblauer Strickpulli verbirgt ihre Silhouette. Die ca. 1,60 Meter kleine Frau läuft langsam und in gebückter Haltung durch ihr überschaubares Wohnzimmer. Ein Sofa, ein Tisch und ein Fernsehsessel stehen mitten im Raum. In der Ecke am Fenster steht ein Stuhl vor einem futuristischen Lesegerät. „Ich bin doch sozusagen blind“, gibt die 91-jährige lächelnd zu. Ihr Gesicht ist von Falten gezeichnet, die Augen sind gerötet. Das Lesegerät ermöglicht es Irmgard Scheinhardt, an der Außenwelt teilzunehmen, hier kann sie Bilder aus Zeitungen ansehen und Artikel lesen.

Aus dem Haus geht sie nur noch in Begleitung. Ihre Tochter, die direkt nebenan wohnt, hilft ihr bei Einkäufen und Arztbesuchen. Ansonsten lebt Irmgard allein in einer kleinen Zweizimmerwohnung in Bochum-Wattenscheid.

Aufgewachsen ist sie in einem Siedlungshaus im Stadtteil Günnigfeld. Ihr Vater war Bergmann und ihre Mutter hat sie und ihre vier Geschwister großgezogen. Irmgard ist schon immer ein Familienmensch gewesen, aber wollte mehr als nur Mutter sein. Seit den 50er Jahren lebt Irmgard mit ihrem Mann Heinrich und ihrer Tochter Erika in Wattenscheid. Kurze Zeit später bekam sie Sohn Ulrich.

Nach der Schule arbeitete Irmgard Scheinhardt, wie ihr Vater, bei der Stadt Wattenscheid. Nach den Kindern war der Berufseintritt nicht einfach, deshalb konzentrierte sich Irmgard damals auf ihre ehrenamtliche Arbeit im Ortsverein und im Rat. „Ich war die erste Frau in Wattenscheid, die den Ortsverein geleitet hat“, erzählt Irmgard stolz.

1946 nahm ihr Vater sie in die SPD auf. Kurz danach trat Irmgard auch in die AWO ein. Irmgards Eltern und Schwiegereltern sind schon während der Weimarer Republik, kurz nach Gründung der AWO eingetreten. „Da ist man dann so mit reingerutscht“, gibt Irmgard zu. Ihre ganze Familie sei sozial eingestellt und sie war schon damals davon überzeugt, dass die AWO etwas Gutes tut. Sie selbst hat ihren Kindern die Entscheidung in die SPD oder AWO einzutreten immer offengelassen: „Ich habe meine Kinder immer machen lassen, was sie wollten und sie nie gezwungen einzutreten“, sagt Irmgard mit ernstem Blick.

Die selbstbewusste, kleine Frau hat sich ihr ganzes Leben lang politisch und sozial engagiert, leitete sogar 19 Jahre den Gesundheitsausschuss im Rat der Stadt Bochum. In den 80er Jahren half Scheinhardt bei der Gründung des „Peter Orbach Hauses“ des Vereins DIE BRÜCKE in Wattenscheid. Eine Einrichtung für psychisch kranke Menschen (siehe 2. Film).

Ihr war damals aufgefallen, dass das große Haus in der Westenfelder Straße leer stand und sprach mit der Eigentümerin. Irmgard Scheinhardt fühlte sich damals in der Pflicht, als politisch Tätige eine Verbesserung herzuführen. „Ich habe mich immer reingekniet“, erinnert sich Irmgard stolz. Auch durch den Tod ihres Mannes in den 90er Jahren, ließ sie sich nicht unterkriegen.

DIE BRÜCKE e.V...

... ist der Verein der Freunde und Förderer psychisch Behinderter. Die BRÜCKE gründete für Menschen mit diesen Erkrankungen eine der ersten Wohngruppen in Bochum. Daneben bietet der Verein Interessenvertretung, Beratung und Hilfe. In dieser Tagesstätte gibt es für die Besucher die Möglichkeit, einen strukturierten Tagesablauf zu erlernen, um später eine selbständige Lebensführung zu ermöglichen. Mehr Infos auf: www.die-bruecke-bochum.de

Heute kann die zierliche Frau auf ein beeindruckendes Lebenswerk zurückblicken. Irmgard Scheinhardt wurde mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Der Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch übergab die Auszeichnung am 24. Februar 2017 im Rathaus von Bochum. In der Verleihungsurkunde hebt der Bundespräsident das jahrzehntelange Engagement von Irmgard Scheinhardt für die gemeindenahe Versorgung psychisch Kranker in Bochum hervor. Diesem Anliegen hatte sich Irmgard Scheinhardt in ihrer Zeit als Stadtverordnete und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses  in den Jahren von 1979 – 1994 besonders gewidmet.

Durch ihr soziales Engagement hat Irmgard viel verbessern können. Diese Eigenschaft gibt sie ihren Kindern und Enkelkindern auch mit auf den Weg. Im April 2018 freut sie sich auf ihr 61jähriges AWO-Jubiläum.

Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und Irmgard Scheinhardt

Foto: Der Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch übergibt das Bundesverdienstkreuz an Irmgard Scheinhardt.

 

1. Videoclip - von Bruno Neurath-Wilson

Irmgard Scheinhardt – die Biografie

Eine biographische Collage über die Sozialdemokratin Irmgard Scheinhardt. Irmgard Scheinhardt war jahrzehntelang in der Bochumer Kommunalpolitik engagiert und hat hier Wegweisendes für die gemeindenahe Versorgung psychisch Kranker geleistet.

Sie trat 1946 als Jugendliche in die Sozialdemokratische Partei und die «Sozialistische Jugend – Die Falken» ein und feierte im Jahre 2016 ihr 70-jähriges Mitgliedsjubiläum in der SPD. Dies war auch der Anlass für die Produktion des Biografie-Filmes im Auftrag des SPD-Stadtverbandes Wattenscheid auf Anregung des Vorsitzenden Serdar Yüksel MdL. Mehr über den Film auf: www.filme-zum-zuhoeren.de

Irmgard Scheinhardt war jahrzehntelang in der Bochumer Kommunalpolitik engagiert und hat hier Wegweisendes für die gemeindenahe Versorgung psychisch Kranker geleistet.

Die Biographie von Irmgard steht beispielhaft für die «klassische Sozialdemokratie des Ruhrgebietes», die tief in der Arbeiterschaft ihrer Gemeinde verwurzelt war – eine Biographie, wie sie in Zukunft nicht mehr vorstellbar ist. Zum Zeitpunkt der Filmaufnahmen (2014) war sie 87 Jahre alt.

Irmgard Scheinhardt
Autoren
Maleen Klenke und Carolin Hölscher, Westf. Hochschule Gelsenkirchen
Bruno Neurath-Wilson, www.filme-zum-zuhoeren.de